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DINNER-ON-THE-RUN - Anekdoten - Der Stuhl


Das erste Mal, als ich beim DINNER mitgemacht habe, rief ich meine Kochpartnerin, wie empfohlen, zur Abstimmung des Gerichts an. Wir klärten alle wichtigen Fragen, die das Menü betreffen und an den Samstagabend knüpften sich nach dem unkomplizierten telefonischen Erstkontakt vielversprechende Erwartungen.

Die Küche meiner Kochpartnerin, in der wir verantwortlich für die Vorspeise waren, schien nicht sehr groß zu sein. Ein Frankfurter Single- Haushalt, der eben nicht in allen Fällen für sechs Esser gerüstet ist. Darum sollte ich einen Stuhl aus meinem Inventar beisteuern. Das freute mich sehr, denn so konnte ich wenigstens auch außerhalb des Kochens einen aktiven Beitrag zu einem gut eingespielten Gastgeberteam leisten.

Da ich an dem Abend Alkohol trinken wollte und meine Kochpartnerin nicht allzu weit weg wohnte, beschloss ich, mit der U- Bahn zu fahren. Der Weg zur Haltestelle erschien ungewöhnlich lang, denn meine Erfahrungen, einen Stuhl so angenehm und praktisch wie möglich zu tragen hielten sich bis dato in Grenzen. Immer wieder blieb ich stehen, wechselte den Arm oder drehte das "Monstrum" in eine andere Richtung. Es ist mir bis heute ein Rätsel, wie Tänzer mit einem Stuhl so geschmeidige Show-Einlagen absolvieren können. Ich dagegen stellte mich ziemlich ungeschickt an, bei meiner Mission "Stuhl verlässt gewohnte Umgebung".

Endlich an der Haltestelle angekommen, musste ich auf die U- Bahn warten. Sichtlich erleichtert stellte ich das Möbelstück ab und setzte mich darauf. "Immerhin", dachte ich, "das ist doch mal ein etwas anderes Feeling, als diese unbequemen, hässlichen orangefarbigen Plastikschalen mit dem eingelassenem Po-Abdruck." Ich fühlte mich richtig wohl in meinem Stuhl, fast wie zu Hause. Und diesen Luxus an der Haltestelle!! Ich nutzte also das ideale Gesäßpolster, um meine Umgebung zu vergessen und meinen Gedanken nachzuhängen. Mich wohlig räkelnd, war ich fast schon ein bisschen ärgerlich, als die Bahn kam, und seufzte tief. Aber aufstehen musste ich schließlich. Ich ging also angenehm entspannt in die Bahn. Die Türen schlossen sich, die Bahn fuhr an. Immer noch in den süßesten Gedanken versunken, freute ich mich auf einen schönen Abend. Ein Sitzplatz wurde erst zwei Haltstellen später frei. Ich setzte mich... Doch nicht wie zuvor auf meinen eigenen Stuhl. Das war nämlich leider unmöglich, wie mir plötzlich dämmerte. Mein gut behütetes Mitbringsel diente nun wahrscheinlich jemand anderem an meiner Haltestelle zur Entspannung. Dort stand nämlich der besitzerlose Stuhl immer noch.

Nun musste schnell eine äußerst wichtige Entscheidung getroffen werden. Ich rief meine Kochpartnerin an und fragte um Rat, was ihr lieber wäre. Ein stuhlloser aber pünktlicher Kochpartner oder ein bestuhlter, verspäteter Koch. Meine Kochpartnerin wollte seltsamerweise mein Problem so gar nicht auf Anhieb verstehen. Ich erzählte ihr also erst in verzücktem Tonfall von meiner Entspannungsphase und dann, weniger verzückt, von deren Folgen. Nachdem sie vor lauter Lachen wieder in der Lage war, ordentliche Worte von sich zu geben, entschied sie, dass ich lieber pünktlich sein und dem Stuhl nicht hinterherfahren soll, weil wir noch so viel zu tun hatten und sicher eine andere Lösung finden würden.

Na, damit hatte sie sich aber etwas vorgenommen, denn auch nachdem wir fast fertig gekocht hatten, konnten wir immer noch keinen sechsten Sitzplatz vorweisen. Es soll ja inzwischen sogar Backformen geben, mit denen sich Frauen den eigenen Mann backen können, aber stabile Stühle sind mir bisher nicht aus dem Backofen gekommen. Und zum Essen einladen, um die Gäste dann zu einer Stehparty zu empfangen, das schien unter unserer Würde. Meine entspannte Stimmung schmolz, schrumpfte und sank zusammen, bis nicht einmal ein kümmerlicher Rest mir mehr helfen konnte, gelassen eine mögliche Lösung zu finden. Eine so intensive Sehnsucht nach einem Stuhl zu verspüren, schafft sicherlich nicht jeder im Laufe seines Lebens.

Nachbarn sind nicht immer zu gebrauchen, aber manchmal gibt es keine andere Möglichkeit, ihre unfreiwillige Hilfestellung in Anspruch zu nehmen. Ob sie dann brauchbarer sind, hängt wohl von der Wohnlage ab. Der Nachbar, der uns zur Verfügung stand, amüsierte sich köstlich über unsere Stuhl-Story, was ihm zumindest einseitige Sympathie meiner Kochpartnerin entgegenbrachte. Irgendwie hatte er den Sinn aber nicht verstanden, WARUM er die Geschichte zu hören bekam. Wir mussten ihn erst dezent darauf hinweisen, dass wir einen Ersatz für den stehengelassenen Stuhl an der Haltestelle brauchten.

Er gab sich die größte Mühe, unseren hohen Ansprüchen zu genügen und holte einen Stuhl. Bisher wussten wir allerdings nicht, wie variabel diese Bezeichnung sein kann. Denn das, was er uns zur freundlichen Verfügung stellte, erinnerte doch stark an die verbogenen, durchgesessenen Dinger mit nur einem Stuhlbein, die man immer so im Vorbeigehen bei abgestelltem Sperrmüll so gerade noch zu registrieren bereit ist. Und obwohl wir nun andeutungsweise einen sechsten Stuhl am Tisch erkennen konnten, war das nicht das, was wir in unserem naiven Glauben erhofft hatten.

Natürlich hatten wir nicht vor, einen der Gäste auf diesen Stuhl zu verfrachten, trotzdem würden sie dem unausweichlichen Anblick standhalten müssen. Niemand von uns beiden konnte wie versteinert den Abend verbringen, um das altersschwache Quietschen zu vermeiden, das gefährlich den endgültigen Zusammenbruch ankündigte.

Es war uns also schrecklich peinlich, diesen Stuhl in unserer Runde zuzulassen. Als alle Gäste angekommen waren und wir zu Tisch bitten wollten, nahmen wir einen großen Schluck Sekt, um unseren Mut zu potenzieren. Wir gaben die Story auch hier zum Besten, um daraufhin wagemutig auf unseren "Star-Gast", den Ersatz-Stuhl zu verweisen.

Uns fiel, während der Kicherei als Antwort, beiden ein Stein vom Herzen und wir bemerkten, dass DINNER-Renner Humor haben und überaus mutig sind beim Ausprobieren von stuhlähnlichen Objekten. Die berühmt gewordene Sitzgelegenheit musste dann letztendlich doch Abschied von uns nehmen, sie wurde herzlos von uns abgeschoben, weil ein Gast von uns einen Stuhl im Kofferraum seines Autos hatte. Nicht, weil er sich mit Menschen mit sehnsüchtigen Gelüsten nach einem Stuhl identifizieren konnte, sondern weil er von seiner Kochpartnerin einen ähnlichen Auftrag bekommen hatte und uns auf diese Weise aus dieser misslichen Lage befreien konnte.

An meinen Stuhl muss ich schon noch manchmal denken aber dafür erinnert mich die neue Lücke in meiner Wohnung an einen ereignisreichen und lustigen DINNER- Samstag. Und ich persönlich denke bei meinen Anmeldungen fürs DINNER nicht an eine Alternative zu "Fisch sucht Fahrrad" sondern immer nur an "Stuhl sucht U-Bahn".



Anmerkung:
Diese Geschichte wurde aufgeschrieben von Ari Post.
Ähnlichkeiten mit lebenden Personen und Gegebenheiten sind nicht nur zufällig, sondern beabsichtigt.
Die Geschichten haben sich so (oder zumindest so ähnlich) abgespielt und sind nach bestem Wissen und Gewissen nacherzählt worden....